Vereinfachung bei Abbruch und Wiederaufbau von Gebäuden

Im gesetzesvertretenden Dekret Nr. 32/2019 („decreto sblocca cantieri“), in Kraft seit 19.4.2019 und umgewandelt in das Gesetz Nr. 55/2019, ist eine Bestimmung enthalten, wonach bei Abbruch und Wiederaufbau eines Gebäudes keine Baukonzession einzuholen ist, falls bestimmte Auflagen erfüllt sind.
Es müssen die rechtmäßig bestehenden Abstände, der Standort, das Volumen und die maximale Höhe beibehalten werden.
Die Neuerung betrifft nicht sosehr die Zulässigkeit des Eigriffes, sondern das anzuwendende Verfahren.
Laut geltendem Landesraumordnungsgesetz ist für einen solchen Eingriff die Baukonzession einzuholen.
Gemäß der genannten staatlichen Bestimmung kann dieselbe Maßnahme nach zertifizierter Meldung des Tätigkeitsbeginns ausgeführt werden.
Da die Autonome Provinz Bozen auf dem Sachgebiet Raumordnung und Bauleitpläne mit primärer Gesetzgebungskompetenz ausgestattet ist, stellt sich die Frage, ob die staatliche Bestimmung auch bei uns unmittelbar anwendbar ist, oder erst nach einer allfälligen Anpassung des Landesgesetzes.
Wenn man davon ausgeht, dass es sich bei der gegenständlichen Bestimmung um eine urbanistische Norm handelt, ist diese in Südtirol nicht anwendbar, sondern erst nach einer allfälligen Umsetzung seitens des Landes.
Falls der Gesetzgeber indes mit der Vereinfachung beabsichtigte, eine wesentliche Leistung im Rahmen der bürgerlichen und sozialen Grundrechte, die im gesamten Staatsgebiet gewährleistet sein müssen, festzusetzen, ist diese bereits jetzt auch in der Autonomen Provinz Bozen anzuwenden.
Der Sachbereich der Festsetzung der genannten wesentlichen Leistungen ist nämlich laut Art. 117 der Verfassung dem Staat vorbehalten.
Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in einem vergleichbaren Fall im Sinne der direkten Anwendbarkeit von staatlichen Bestimmungen in der Autonomen Provinz Bozen geurteilt.
Damals hatte der nationale Gesetzgeber verfügt, dass die Regelung über die zertifizierte Meldung des Tätigkeitsbeginns jene über die Baubeginnmeldung ersetzt, und zwar in jeglicher staatlichen oder regionalen Bestimmung. Die Autonome Provinz Bozen hatte diese Bestimmung angefochten da dieselbe als unzulässiger Eingriff in die genannte primäre Zuständigkeit empfunden wurde.

Das Verfassungsgericht erachtete mit Urteil Nr. 121 vom 9.5.2014, dass die beanstandete Bestimmung in Ausübung der genannten staatlichen Zuständigkeit gemäß Art. 117 der Verfassung erlassen worden, und diese somit unmittelbar auch in der Autonomen Provinz Bozen anwendbar war.
Im Lichte dieser Ausrichtung des Verfassungsgerichtshofes liegt auch bei der zuletzt eingeführten Vereinfachung der Schluss nahe, dass diese bereits jetzt auch in der Autonomen Provinz Bozen angewendet werden kann/muss.

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