Unser Zivilrecht ist, eigentlich, eine recht nüchterne Angelegenheit: Liegt ein Schaden vor, wird dieser – und der in Folge geschuldete Schadenersatz – an Tatsachen gemessen. Innere Beweggründe des Schadensverursachers spielten dabei für das Ausmaß des Schadenersatzes bislang keine Rolle. Subjektive Elemente wie Fahrlässigkeit und Vorsatz blieben dem Strafrecht vorbehalten, wo diese ganz entscheidend für die Bemessung des Strafrahmens sind.
Weil eine vernetzte Welt aber auch vor der italienischen Rechtsordnung nicht Halt macht, fand mit Urteil Nr. 16001/2017 der Vereinten Kammern des Kassationsgerichtshof erstmals der Begriff der „punitive damages“ Eingang in das hier geltende Schadensrecht.
Mit diesem Begriff bezeichnet man im US-amerikanischen Rechtskreis eine Art des Schadensersatzes, der über den tatsächlichen vermögensrechtlichen Schaden hinaus zuerkannt wird, wenn der Verursacher mit Vorsatz oder schwerer Fahrlässigkeit gehandelt hat. Es ist somit ein Betrag mit Strafcharakter, der die Schadenersatzansprüche eines Klägers im Rahmen eines Zivilverfahrens wesentlich erhöhen kann.
Obwohl es in Italien kein vergleichbares Rechtsinstitut gibt und bislang die Meinung herrschte, die zivilrechtliche Haftung sei mit einer derartigen „Strafsumme“ nicht vereinbar, erachtete es der Kassationsgerichtshof in seinem Urteil Nr. 16001/2017 erstmals für möglich, ein ausländisches Urteil, das eine derartige Schadenssumme zuspricht, unter bestimmten Voraussetzungen anzuerkennen. Dies sei „nicht unvereinbar“ mit unserer Rechtsordnung, da die zivilrechtliche Haftung, neben der Wiederherstellungfunktion des geschädigten Vermögens, auch eine Art Straffunktion („funzione sanzionatoria“) habe.
Im konkreten Fall haben die Richter festgestellt, dass das anzuerkennende Urteil alle notwendigen Voraussetzungen erfüllt: Die Tatbestandsmäßigkeit („tipicità“) war ebenso wie die Voraussehbarkeit der Verurteilung („prevedibilità della condanna“) gegeben. Auch stand der Inhalt des Urteils weder im Widerspruch zur italienischen Verfassung noch zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
Auch wenn durch dieses Urteil des Kassationsgerichts eine solche zusätzliche Summe mit Strafcharakter im Rahmen eines Zivilverfahrens bei uns noch nicht eigens eingefordert werden kann (da hierfür eine rechtliche Grundlage fehlt), ist dieses Urteil doch von weitreichender Bedeutung für die weitere Entwicklung im Bereich des Schadensrechts, da damit erstmals eine im angelsächsischen Rechtssystem bereits etablierte Art des Schadenersatzes grundsätzlich anerkannt und als mit unserer Rechtsordnung vereinbar erachtet wird.