Ersitzung eines Grundstücks

Jemand erhebt Ansprüche auf ein Grundstück, das in meinem Eigentum steht und behauptet, er habe dieses ersessen – ist dies möglich? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?
Das Eigentum ist das umfangreichste Recht an einer Sache und bleibt grundsätzlich auch zeitlich uneingeschränkt bestehen. 
Nicht selten geschieht es aber, dass der tatsächliche Eigentümer von seinem Recht nicht Gebrauch macht und andere seine Sache nützen – wie im Falle eines Grundstücks, das regelmäßig von einem Dritten gepflegt wird, anstatt vom Eigentümer selbst.
Hier konfligieren also zwei Rechte: jenes des grundbücherlichen Eigentümers, der aber kein Interesse an der Ausübung seines Rechts zeigt und jenes des Dritten, der zwar nicht Eigentümer ist, sich jedoch wie ein solcher verhält, indem bspw. ausschließlich er das Grundstück bestellt und alle anderen hiermit verbundenen Rechte ausübt.
Um nun dem Dritten einen gewissen Rechtsschutz angedeihen zu lassen, sieht die Rechtsordnung die Möglichkeit der Ersitzung vor, wobei allerdings einige Voraussetzungen zu beachten sind.
Zunächst die Zeit: der Besitz an einer unbeweglichen Sache muss über einen Zeitraum von zwanzig Jahren ausgeübt werden, wie Art. 1158 ZGB festlegt. 
Wichtig hierbei ist, dass die Besitzhandlungen (bspw. Mähen, Bewirtschaften, etc.) nicht heimlich, sondern offenkundig zu erfolgen haben. Weiters muss der Besitz friedlich und ohne Gewalt ausgeübt und der Wille zum Ersitzen eines Realrechts klar zum Ausdruck gebracht werden.
Nach Ablauf des zwanzigjährigen, öffentlich ausgeübten und friedlichen Besitzes kann der Dritte eine Ersitzungsklage vor Gericht einbringen. Dringt er mit seinem Klagsbegehren durch, erhält er ein Urteil, mit welchem er die erfolgte Ersitzung ins Grundbuch eintragen kann und somit zum „neuen“ Eigentümer wird – und dies übrigens, ohne dem vorherigen Eigentümer eine Entschädigung zahlen zu müssen.

Wie kann sich der tatsächliche Eigentümer vor einer solchen Ersitzung schützen?
Hier sieht das Zivilgesetzbuch mehrere Möglichkeiten vor.
Zum einen kann er den Dritten an der Ausübung seiner Besitzhandlungen hindern – hierfür ist aber gemäß Art. 1167 ZGB eine einjährige Unterbrechung vonnöten.
Andererseits wird die Ersitzung auch dann unterbunden, wenn der Dritte das Recht des grundbücherlichen Eigentümers anerkennt.
Ferner – und dies ist das effektivste Mittel – verwehrt er dem Dritten durch erfolgreiches Einbringen einer Freistellungsklage die Ersitzung: außergerichtliche Aufforderungen zur Freistellung unterbrechen die Ersitzung hingegen nicht.
Schlussendlich kann also festgehalten werden, dass Eigentümer einer Sache sich der möglichen Ersitzung durch andere bewusst sein sollten, um rechtzeitig handeln und eine solche verhindern zu können.

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