Der neue sog. „codice rosso““

Mit Gesetz Nr. 69 vom 19. Juli 2019, veröffentlicht am 25. Juli 2019, hat der italienische Gesetzgeber neue Bestimmungen zum “Schutz der Opfer von häuslicher und allgemeiner Gewalt” erlassen. Die wichtigsten Neuerungen sind Folgende.
1. Beschleunigung der Ermittlungen: die Gerichtspolizei setzt die Staatsanwaltschaft unverzüglich, gegebenenfalls auch mündlich, über die strafbare Handlung in Kenntnis; der Staatsanwalt befragt die geschädigte Person oder jene, welche die Anzeige eingebracht hat, innerhalb von 3 Tagen; besagte Frist kann lediglich in Ausnahmefällen (Schutz von Minderjährigen, Notwendigkeit der Geheimhaltung der Ermittlungen) verlängert werden;
2. Die Einhaltung der vorbeugenden Maßnahme des “Verbots der Annäherung an die von der geschädigten Person besuchten Orte” kann von Seiten des Richters auch anhand elektronischer Mittel überwacht werden, z.B. durch eine Fußfessel.
3. Folgende Straftaten wurden neu ins Strafgesetzbuch eingeführt:

  •  Verbreitung von Bildern oder Videos sexuellen Inhalts ohne Zustimmung der dargestellten Person (sog. “revenge porn”): Haftstrafe von 1 bis zu 6 Jahre und Geldstrafe von 5.000 bis zu 15.000 Euro; die Tat gilt als erschwert, wenn sie innerhalb einer (auch bereits  beendeten) Beziehung oder durch den Einsatz von digitalen Instrumenten begangen wird;
  •  Entstellung des Äußeren einer Person durch (dauerhafte) Verletzung deren Gesichts: Haftstrafe von 8 bis 14 Jahre; lebenslängliche Gefängnisstrafe bei Herbeiführung des Todes der verletzten Person;
  •  Zwang oder Verleitung zur Eheschließung: Haftstrafe von 1 bis zu 5 Jahre; die Tat gilt als erschwert, wenn sie zu Lasten eines Minderjährigen begangen wird und wird auch dann bestraft, wenn sie im Ausland von oder zu Lasten eines italienischen Staatsbürgers begangen wird;
  •  Nichteinhaltung der vorbeugenden Maßnahmen der Entfernung vom Familienwohnsitz und des Verbots der Annäherung an die von der geschädigten Person besuchten Orte: Haftstrafe von 6 Monate bis zu 3 Jahre;

4. Folgende Haftstrafen wurden angehoben:

  •  Misshandlung von Familienmitgliedern und zusammenlebenden Personen: von 2 bis zu 6 Jahre auf 3 bis zu 7 Jahre;
  •  Stalking:  von 6 Monate bis zu 5 Jahre auf 1 bis zu 6 Jahre und 6 Monate;
  •  Nötigung zu geschlechtlichen Handlungen: von 5 bis zu 10 Jahre auf 6 bis zu 12 Jahre; die Tat gilt als erschwert, wenn sie zu Lasten eines Minderjährigen begangen wird;
  •  Nötigung zu geschlechtlichen Handlungen durch eine Mehrzahl von Tätern: von 6 bis 12 Jahre auf 8 bis zu 14 Jahre;

5. Die Frist zur Einbringung der Strafanzeige bei sexueller Nötigung wurde von 6 auf 12 Monate angehoben.
Die beschriebenen Neuerungen sind am 09. August 2019 in Kraft getreten.

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